Familienrat - Familiengruppenkonferenz

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ForE 3-2009

Das vorliegende Heft diskutiert im thematischen Schwerpunktteil ein Konzept bzw. ein Verfahren der partizipativen Familienunterstützung. Im Mittelpunkt der Beiträge stehen Fallbeispiele von gelingenden und auch nicht gelingenden Prozessen, die dann entstehen, wenn Familien eine strukturierte Möglichkeit eingeräumt wird in eigener Regie Problemlösungen zu entwickeln und Hilfen zu planen. Die sog. Family Group Conference wurde ursprünglich in Neuseeland entwickelt und heißt in Deutschland auch Familienrat, Familiengruppenkonferenz oder Verwandtschaftsrat. Die Familie kommt dabei mit Verwandten, Freunden, Nachbarn oder Freunden der Kinder bzw. Jugendlichen zusammen. Gemeinsam entwickeln sie Ideen, diskutieren verschiedene Hilfemöglichkeiten und planen schließlich selbst – ohne Einfluss der Fachleute – eine geeignete Form der Unterstützung. Fachkräfte geben den Familien ausreichend Informationen für ihre Entscheidungen und begleiten sie nachher bei der Umsetzung ihrer Vereinbarungen, indem sie ggf. auch professionelle Hilfen zur Verfügung stellen. Das Treffen wird von einer neutralen Koordinatorin oder einem Koordinator vorbereitet und moderiert. Sie bzw. er übernimmt die Verantwortung für das Verfahren, nicht aber für mögliche Lösungen. Erst zum Ende des Treffens wird die fallzuständige Fachkraft des Jugendamts in die Entscheidung einbezogen. Sie kann die getroffenen Vereinbarungen der Familie nur dann ablehnen, wenn ihr diese unsicher erscheinen oder wenn der junge Mensch einem unverantwortlichen Risiko ausgesetzt wird. Mit dem methodischen Ansatz des Familienrats wurde schon Anfang dieses Jahrzehnts in Deutschland experimentiert, aber erst in den letzten fünf, sechs Jahren konnten im Rahmen von Modellprojekten breitere Erfahrungen gewonnen werden. Dies geschah in den Städten Braunschweig und Berlin-Mitte (im Rahmen des Programms „Wirkungsorientierte Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung“) zum anderen durch das zeitgleich von der Stiftung Jugendmarke e.V. geförderte und von der IGfH und der FH Münster gemeinsam geleitete Projekt „Implementation und Evaluation von ‚Family Group Conference (FGC)’-Konzepten“ (mit den Landkreisen Herford, Kassel und Waldeck-Frankenberg sowie den Städten Mülheim a.d.R. und Viersen).

Die vorliegenden Beiträge in diesem Heft gehen auf die Erfahrungen aus diesen beiden Modellprojekten sowie aus dem Main-Taunus-Kreis zurück. Peter Hansbauer führt in das Thema und die Verfahrensschritte ein und gibt einen kurzen, markanten Überblick zur (Implementations-)Geschichte. Hansbauer und auch später Frank Früchtel et.al. betonen in ihren Aufsätzen die strukturellen Elemente des Konzepts: durch die verfahrenstechnische Separierung bestimmter Rollen und Schritte können Interessen (von Fachkraft und Familie) entmischt und somit Ressentiments neutralisiert werden. Rollenteilung und verfahrenstechnische Separierung allein helfen aber nicht, wenn das Verfahren nicht auch durch entsprechende Haltungen (wie Wertschätzung und Subjektorientierung) aller Fachkräfte gestützt wird.

Franziska Alt zeigt wie stark eine wenig wertschätzende Koordination (in der Familienphase) die Interaktion und Dynamik einer Familie beeinträchtigen und somit das gesamte Verfahren konterkarieren kann. Käthe Heinrich kommt als Jugendamtsleiterin zu dem Schluss, dass der „Geist“ des Familienrats in ein Amt einziehen muss. Sie zeigt Möglichkeiten der Implementation des Verfahrens in die Organisation eines Amtes auf. Gregor Hensen und Katja Müller beleuchten schließlich am Beispiel einer Fallgeschichte und deren Deutung vorrangig den Nutzen des Familienrats aus der Perspektive der Familienmitglieder. Diese Darstellungen basieren u.a. auf der Analyse von Videomitschnitten durchgeführter Familienräte.

Frank Früchtel und seine MitautorInnen aus Berlin schildern Evaluationsergebnisse aus einem Projekt, in dem das Konzept des Familienrats in ein umfängliches Konzept der Sozialraumorientierung Sozialer Dienste eingebettet ist. Anhand von Fallbeschreibungen gelungener und nicht gelungener Beratungen gehen sie den Fragen nach, wie sich das Angebot des Familienrats in der deutschen Hilfeplanungspraxis realisieren lässt und welche typischen Schwierigkeiten, Fehler und Erfolge zu verzeichnen sind.

Zum Abschluss des Thementeils setzt sich die Heftbetreuerin, Hiltrud von Spiegel, mit sog. Wirkfaktoren des Konzepts „Familienrat“ auseinander. Sie kommt zu dem Schluss, dass es vom jeweiligen Wirkungsverständnis der Fachkräfte und von der Organisationsphilosphie innerhalb eines Jugendamts abhängt ob die herausgearbeiteten Wirkfaktoren überhaupt als solche wahrgenommen, persönlich akzeptiert und mit Überzeugung realisiert werden.

Hiltrud von Spiegel, Josef Koch

 

Aus dem Inhalt

Holger Ziegler:
Wirkungsorientierte Programme oder wirksame Profession?

Peter Hansbauer:
Der Familienrat – die „etwas andere“ Hilfeplanung

Franziska Alt:
Zur Bedeutung der beruflichen Haltung für das Gelingen von Partizipation

Käthe Heinrich:
Familiengruppenkonferenzen (Familienrat) aus Sicht einer Amtsleitung

Katja Müller, Gregor Hensen:
Aus der Sicht von Familien – Der „doppelte Blick“ auf den Nutzen von Familienräten

Frank Früchtel u.a.:
Familienrat als konsequente Sozialraumorientierung – Ergebnisse aus einem Berliner Modellprojekt

Hiltrud v. Spiegel:
Wirkfaktoren des Konzepts „Familienrat“

Merle Allsopp:
Kinder großziehen im globalen Dorf: Lektionen aus Südafrika (Teil I)

Kristin Teuber:
Ich blute, also bin ich. Wieso kann es gut tun, sich selbst zu verletzen?

Kerstin Feldhoff:
Änderungen des FGG

 

Erscheinungsjahr
2009
Ausgabe
3
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2009