Kleine Träger

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ForE 2-2012

Als sich die Redaktion entschied, das Thema „Kleine Träger“ als Schwerpunktheft zu gestalten, wurde schnell klar, dass es schwer werden würde dem Thema eine eindeutige Kontur zu geben. Klar war, dass das Entstehen bzw. die Etablierung kleiner Träger, wenn sie gehäuft auftritt, auf Phasen der fachlichen und strukturellen Offenheit und Entwicklung in der Jugendhilfe hindeutet (siehe auch Mann in diesem Heft).

Solche Phasen waren in den westlichen Bundesländern die Jahre und die Jahrzehnte nach der Heimrevolte und Kritik der Großanstalten in den 70er und 80er Jahren, wo eine Vielzahl von kleinen Trägern und Kleinsteinrichtungen und Vereinen entstand sowie in der Phase des strukturellen Aufbaus der Jugendhilfe in den 90er Jahren in den neuen Bundesländern.

Da kleine Träger und kleine Einrichtungen vom persönlichen Engagement Ihrer GründerInnen und MitarbeiterInnen leben, entwickelt sich dies oft in Zeiten, wo Zukunftsprojekte und neue Gegenentwürfe (hier in den Erziehungshilfen) erkennbar werden (siehe Schone in diesem Heft), wie zum Beispiel in den alten Bundesländern zu den Zeiten der Umgestaltung der Anstaltserziehung. Dazu gehört auch das Engagement der kleinen Projekte und Träger bei der Herausbildung von nicht ausgrenzenden Settings gegen die Formen der geschlossenen Unterbringung, die im Heft nicht gesondert herausgearbeitet werden. Daher erstaunt es jedenfalls nicht, wenn viele der hier versammelten - eher „kleineren“, d.h. kürzeren - Schwerpunktbeiträge beim Thema Kleine Träger schnell auf die Engführung in Richtung Kleine (familienanaloge?!) Heime hinführen.

Aus heutiger Sicht mag man diesen Zuschnitt zu eng finden, denn im ambulanten Feld finden sich mittlerweile eine Reihe von One-Man oder One-Woman Ausgründungen mit ein oder zwei MitarbeiterInnen und auch im Bereich der Kita-Landschaft etablieren sich erste Zusammenschlüsse von kleinen Trägern und wird die Verbundidee der kleinen Heime zitiert – freilich scheinbar ohne diese zu kennen. Die Redaktion und die AutorInnen haben sich für die bewusste Engführung entschieden und unterstellen gewissermaßen, dass es sich bei den zuletzt genannten Feldern häufig um Einrichtungen handelt, die klein anfangen, die aber das „Klein-Sein und Bleiben“ nicht als explizites Handlungsziel und Selbstverständnis im Kontakt mit Jugendlichen und Eltern haben (siehe noch mal Schone in diesem Heft). Das mag strittig sein, kann aber als Arbeitshypothese genutzt werden.

Und so wird das Heft von einem ehemaligen Mitglied der Arbeitsgruppe der IGfH zur Begründung einer „Theorie kleiner Heime“ eingeleitet, der Ende der 70er Jahre im Rahmen der IGfH eine Diplomarbeit zum Thema Verbundsysteme in der Heimerziehung geschrieben und veröffentlicht hat. Reinhold Schone zeigt wie lebendig die Debatte damals war und kommt dennoch zu dem ernüchternden Schluss, dass kleine Träger heute nur noch Marktnischen besetzen können und ihre innovative Kraft verloren haben. Anschließend suchen Liane Pluto und Eric van Santen empirische Indizien für die Beantwortung der Frage, ob es in der Praxis eine Zu- oder Abnahme von kleinen Trägern im Feld der erzieherischen Hilfen gibt und welche Rahmenbedingungen für das fachliche Handeln davon berührt werden. Jens Pothmann bleibt bei der Empirie und befragt die aktuelle amtliche Statistik nach ihrem Informationspotenzial mit Blick auf „kleine Träger“ in den stationären Hilfen zur Erziehung. Kleine Träger im Geflecht von Steuerungsanforderungen thematisiert Jörg Fischer. Innerhalb des bewährten gesetzlichen Rahmens zeichnen sich für ihn mit einer indirekten Steuerung und einer Netzwerkorientierung neue Imperative für Träger ab, denen sich kleine Träger – nach Meinung des Autors - flexibler und zügig stellen können. Auch Hartmut Mann bleibt aus Sicht eines Wohlfahrtsverbandes bei der Frage der Auswirkungen von sozialadministrativen Steuerungskonzepten auf kleine Träger und sieht Vorteile bei kleinen Trägern, denen es gelingt, ihre Qualitäten mit struktureller Klarheit zu verbinden. Schließlich kommen zwei VertreterInnen der kleinen Träger selbst zu Wort. Albert Kedves schildert aus Sicht der Interessengemeinschaft Kleine Heime & Jugendhilfeprojekte Schleswig-Holstein e.V. (IKH) einige geschichtliche Hintergründe der Entstehung des Verbundes und skizziert Versuche der gemeinsamen Qualitätsentwicklung und -kontrolle. Rita Jünemann, Leiterin einer Familienwohngemeinschaft, gewährt schließlich im Interview einige Einblicke in den Alltag eines kleinen Trägers.

Josef Koch

 

 

Aus dem Inhalt

Norbert Struck:
Das Problem der Hilfen zur Erziehung in Deutschland ist kein „Hamburger Modell“ und die Lösung ist nicht der Kampf dagegen

Reinhold Schone:
„KleineTräger“ der Erziehungshilfe – Entwicklungsmotor oder Mauerblümchen?

Liane Pluto, Eric vanSanten:
Trägergröße und ihre Folgen für Einrichtungen - Eine empirische Spurensuche im Feld der Erziehungshilfen

Jens Pothmann:
„Kleine Träger“ in der Heimerziehung – Hinweise im Spiegel der Statistik

Jörg Fischer:
Kleine Träger im politischen Steuerungsdiskurs der Kinder- und Jugendhilfe

Hartmut Mann:
Kleine Träger als Teil der Vielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe

Albert Kedves:
Kleine Heime und Kleinstheime: Geschichte – Entwicklungen – Trends – Selbstverständnisse

Gregor Hensen:
Einblicke in den Alltag „Kleiner Träger“ – ein Interview mit Rita Jünemann

Myroslava Duzha-Zadorozhna:
Moderne Familienerziehung in der Ukraine und ihre Ersatzformen

Mike Seckinger:
Kinderschutz in der Migrationsgesellschaft – Fachliche Rahmungen

Yvonne Semmler:
„Denn sie wissen nicht, was die anderen tun“

Diana Eschelbach, Gila Schindler:
Sonderzuständigkeit auch für Erziehungsstellen

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