Kostendruck in der Jugendhilfe

ForE 2-2004

Die öffentliche Haushaltslage ist angespannt, die Jugendhilfeetats der Kommunen stehen unter massivem Druck. Jüngst konnten wir anhand der Änderungsvorschläge zum SGB VIII erfahren, wie mittels Leistungsrücknahmen Kostenersparnisse erzielt werden sollten.

Nach den Ausgaben für die Kindertageseinrichtungen entfallen ein Viertel der Jugendhilfeausgaben auf die Erziehungshilfe, aber nur ca. 3 % der Bevölkerung unter 21 Jahren (inklusive Erziehungsberatung) nimmt diese Leistungen in Anspruch. Zudem sind die Ausgaben für Erziehungshilfen zwischen 1995 und 2001 deutlich angestiegen. Natürlich muss man diese Steigerung sachlich relativieren (z. B. durch den Verweis auf demographische Faktoren größerer Alterspopulationen, die Aufbauphasen bei den ambulanten Hilfen vor allem in den neuen Ländern etc.), und vor allem durch die Hinzuziehung der Entwicklung von Belastungsindikatoren für die Lebenslagen von Kinder und Jugendlichen sowie ihren Familien, aber es gibt durch den Kostendruck längst eine Praxis der Leistungsabsenkung bzw. der rigideren Leistungsgewährung und einen starken Legitimationsdruck die Wirksamkeit und Steuerungsmöglichkeiten auszuweisen. Dabei ist festzuhalten, dass angesichts der Komplexität der Bedingungen für das Entstehen von Hilfebedarfen mathematisch-betriebswirtschaftliche Bedarfserrechnung illusorisch erscheint, aber von Jugendhilfe-Fachleuten selber zum Beispiel den Kämmerern – manchmal besseren Wissens – Hoffnungen auf Kosten- und Fallabnahmen im Bereich der stationären Hilfen durch den einfachen Ausbau ambulanter Formen gemacht wurden. Was tun?

Viele heute zu hörende Empfehlungen tauchen immer wieder in Krisenzeiten auf, wie die eingeflochtenen Zitatkästen aus den 30er Jahren zeigen, und ranken sich um die Konzentration auf absolute Pflichtleistungen, die „präzise“ Diagnostik und Hilfe nur für die „schweren Fälle“, die Zusammenführung von Leistungen und Angeboten, die Förderung der ehrenamtlichen Arbeit etc.. Solche Vorschläge können auch heute sinnvoll sein, wenn sie z.B. in ein Gesamtkonzept der Evaluation und Fachplanung eingebunden sind, wie uns der Forschungsbeitrag von Ullrich Bürger im Magazinteil dieses Heftes zeigt. Eine Kommune muss auch ein Interesse daran haben, zumindest Plausibilitäten dafür zu erlangen, dass die Einhaltung von Haushaltsansätzen wirklich etwas mit nachhaltiger Wirkung der Hilfen zu tun hat oder ob nur längerfristig „inhomogene Jugendhilfeverläufe“ erzeugt werden, z. B. durch kürzere Verweildauer von Heranwachsenden in Heimen.

Die Themenbeiträge des Schwerpunktteils gehen diesen Ambivalenzen zwischen Kosten- und fachlicher Qualitätsentwicklung detaillierter nach: Thomas Drößler und Ullrich Gintzel zeigen in ihrem Einleitungsbeitrag den Spagat der Erziehungshilfe zwischen Finanzsteuerung und einer fachlichen Entwicklung der Leistungsbereiche bezüglich der HilfeadressatInnen, der MitarbeiterInnen und der Träger. Wolfgang Trede setzt sich, nun aus der Position eines Jugendamtsleiters in einem süddeutschen Landkreis, mit Möglichkeiten der Gestaltung und Steuerung von erzieherischen Hilfen auseinander. Er drängt bei der Umsetzungsstrategie vor allem auf eine enge und transparente Kommunikation mit der Politik auch bezüglich des Zusammenwirkens von Finanz- und Fachstrategien. Wilfried Lütkemeier beleuchtet die Konsequenzen des Kostendrucks am Beispiel eines freien Trägers und macht auf Chancen wie Risiken der notwendigen Umsteuerung aufmerksam. Schließlich geht Hartmut Mann am Beispiel von Gutachten in Sachsen, die die Einsparpotenziale in den erzieherischen Hilfen aufzeigen sollen, auf die Problematik von teuren, überstürzt eingeholten Einsparexpertisen ein, die häufig unter rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen rechtskonformes Handeln und gesellschaftlichen Auftrag der Jugendhilfe ignorieren und damit gefährden. Alle Schwerpunktbeiträge zeigen, dass es letztendlich einer auf allen Ebenen zu führenden politischen und gesellschaftlichen Diskussion darüber bedarf, welches Hilfe-, Unterstützungs- und Solidarverständnis eine Gesellschaft jenseits aller zyklischen Wirtschaftskrisen auf der Kommunal-, Landes- und Bundesebene ausweisen will.

Josef Koch

 

Aus dem Inhalt

Friedhelm Peters:
"Zukunftsfähigkeit“ zum Beispiel ...

Thomas Drößler, Ullrich Gintzel:
Von den widersprüchlichen Argumenten um Kosten und Qualität

Wolfgang Trede:
Erzieherische Hilfen zwischen fachlichen Herausforderungen und begrenzten Ressourcen

Wilfried Lütkemeier:
Erziehungshilfe im konkurrierenden Wettbewerb

Hartmut Mann:
Die Stunde problematischer Gutachter

Hannes Tanner:
Der Prozess der Hilfeplanung und seine Auswirkungen auf die Betroffenen – ein Forschungsprojekt in der Schweiz

Marianne Weg:
Gender Mainstreaming –Eine neue Politikmethode für eschlechterdemokratie

Luise Hartwig:
Das gewisse Etwas: Professionelle Erziehung und Habitus

Ulla Engler:
Vergaberecht

Schlagwörter
Erscheinungsjahr
2004
Ausgabe
2
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2004