Fort- und Weiterbildung in den Erziehungshilfen: qualifizieren statt reduzieren! (19.02.1998)

Eine Stellungnahme der IGfH

Wenn gespart werden soll, stehen sehr schnell die Mittel für Fort- und Weiterbildung, manchmal sogar ganze Fortbildungsinstitutionen zur Disposition. Trotz regionaler Unterschiede ist bundesweit ein klarer Trend festzustellen, angesichts allgemeiner Sparzwänge, aber auch als Auswirkung der Pflegesatzdeckelungen 1997/1998 im "weichen" Bereich der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Sparen zu beginnen.

  • In manchen Jugendamtsbereichen der neuen Bundesländer gibt es für eigene MitarbeiterInnen gar keine Fortbildungsmittel mehr - trotz des Fortbildungsgebots gem. § 72, 3 SGB VIII.
  • Bei vielen freien Trägern können Fortbildungen nicht, auch nicht mehr teilweise durch die Pflegesätze refinanziert werden, und Einrichtungen haben entsprechend erhebliche Mühe, noch Fortbildungsmittel in ihre Haushalte einstellen zu können.
  • Von MitarbeiterInnen freier wie öffentlicher Träger wird zunehmend verlangt, Urlaubstage für Fortbildungen zu nehmen, Anreisekosten und Teilnehmerbeiträge selbst zu bezahlen usw.


Der Vorstand der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen wendet sich gegen diesen für die Entwicklung des Feldes verhängnisvollen Trend und plädiert im folgenden für Qualifizierung statt Reduzierung im Bereich von sozialpädagogischer Fort- und Weiterbildung (vgl. hierzu auch das BAGLJÄ -Papier "Das Fachkräftegebot des KJHG" vom November 1996).

  • Der zunehmende Verzicht auf die Finanzierung von Fortbildung stellt aus Sicht der IGfH eine wenig intelligente Form des Sparens dar, weil nicht bedacht wird, daß Fort- und Weiterbildung eines der wenigen fachlichen Steuerungsmittel ist, über die professionelle Organisationen überhaupt verfügen;
  • wenn man glaubt, neue Anforderungen an sozialpädagogische Fachkräfte und entsprechend neue Aufgabenzuschreibungen lediglich über Anordnungen und/oder Arbeitsplatz- oder Leistungsbeschreibungen erreichen zu können.


Die mit gesellschaftlichen und institutionellen Veränderungsprozessen einhergehenden neuen Anforderungen an sozialpädagogische Fachkräfte führen in der Konsequenz zu überforderten, demotivierten oder sich zurückziehenden MitarbeiterInnen, wenn diese nicht entsprechend fortgebildet werden. Insofern würden die sozialen, fachlichen und fiskalischen Folgekosten bei einer Vernachlässigung von Fort- und Weiterbildung nur um so höher sein, weil spätestens mittelfristig sichtbar würde, daß Veränderungs(an)forderungen alleine nicht tragen. Einrichtungen, die sich die Investition in das vorhandene "Humankapital" sparen, verlieren Zukunftschancen! Im übrigen gilt für die Praxis der erzieherischen Hilfen wie für andere Berufe auch, daß eine einmalige Grundausbildung für eine u.U. lebenslange Berufsausübung nicht ausreichend ist.
Fort-, Weiterbildungs- sowie Supervisionskosten sind genuine Anteile der Personalkosten zum Erhalt und zur Qualifizierung der Arbeitskraft von MitarbeiterInnen. Dies ist gegenüber Kämmereien, Personalämtern und Pflegesatzkommissionen wie in Verhandlungen um Leistungsentgelte nicht deutlich genug zu machen.
Allerdings kann, darf und muß darüber nachgedacht werden, ob nicht stärker als bisher "projekt- bzw. aufgabenbezogene Fortbildungen", die direkt mit den jeweils angestrebten Veränderungen der Praxis verbunden sind und die im Einklang mit den durch die Jugendhilfeplanung festgestellten Bedarfe stehen, gefördert werden sollten. Mit anderen Worten: Es scheint legitim, daß von einem Träger geförderte Fort- und Weiterbildungen sich im Rahmen der - sich natürlich demokratisch zu gestaltenden - Organisations- und Personalentwicklung der jeweiligen Einrichtung realisieren. "Aufgrund welcher Bedarfe und welcher Problemlagen wollen wir welche Hilfen mit welchen Methoden realisieren, und welche Kompetenzen und entsprechend qualifizierende Fortbildungen benötigen wir dafür"? - dies wären beispielhafte Leitfragen, die sich Einrichtungen unter Beteiligung und Berücksichtigung von MitarbeiterInnen-Interessen stellen müssen.
Fortbildung ist - wie Forschung - ein unverzichtbarer Bestandteil der Weiterqualifizierung der Praxis erzieherischer Hilfen und muß entsprechend finanziell abgesichert sein. Die IGfH erinnert und unterstützt daher die seit Jahren erhobene Forderung, mindestens 1 - 3 % der Gesamtaufwendungen der Jugendhilfe für diese Zwecke zur Verfügung zu stellen. Dies richtet sich primär an die kommunale und die Länder-Ebene. Ohne angemessene Mittelbereitstellung für Fortbildung und Forschung verliert die Praxis der erzieherischen Hilfen ihre Zukunftsfähigkeit.

Frankfurt am Main, 19.02.1998

Datum