Thesen zum pädagogischen Umgang mit Drogen in der Jugendhilfe (1999)

erarbeitet von der Fachgruppe Drogen der IGfH

Drogen im Alltag der Jugendhilfe, das bedeutet vor allem: Jugendliche machen (erste) Erfahrungen mit Alkohol und Tabak, gehen hier Risiken ein ("Kampfsaufen"), suchen einen für sie angemessenen Umgang mit diesen Alltagsdrogen. Es bedeutet für eine kleinere Gruppe Jugendlicher: Konsum illegaler Drogen, und zwar Haschisch, Ecstasy und andere Party-Drogen. Eine Suchtgefährdung ist ein eher seltenes Ereignis, mit Sucht werden PädagogInnen in der Jugendhilfe selten konfrontiert. Dieser alltägliche Umgang mit Drogen legt eine spezifisch pädagogische Herangehensweise an dieses Thema nahe; einen Zugang, der sich deutlich von der auf Sucht und Suchtprävention orientierten Ausrichtung der Drogenhilfe unterscheidet, die einen neuen Standpunkt in die Drogendebatte hineinbringt.
Die Fachgruppe Drogen der IGfH legt das folgende Positionspapier in der Absicht vor, den spezifisch pädagogischen Zugang der Jugendhilfe zum Thema Drogen zugespitzt und prägnant zu beschreiben und die Drogendiskussion um einen pädagogischen Standpunkt zu bereichern. Dabei werden unter "Drogen" die legalen wie die illegalen Substanzen verstanden, die zu Bewußtseins- und Erlebensveränderungen führen. "Junge Menschen" wird hier verstanden im Sinne des § 7 SGB VIII (Menschen unter 27 Jahren).

  1. Drogen sind Bestandteil jeder Kultur. Eine drogenfreie Gesellschaft ist nicht bekannt. Daher ist es Aufgabe von Pädagogik in der Jugendhilfe, diesen Aspekt von Kultur und die verschiedenen Werte und Normen Heranwachsenden zu vermitteln, damit sie lernen, Genuss und Rauscherleben angemessen zu gestalten.
  2. Jeder Drogenkonsum birgt Risiken. Sie können verringert werden, wenn Heranwachsende einen angemessenen, d.h. risikoarmen Umgang mit Drogen erlernen. Es ist Aufgabe von Pädagogik in der Jugendhilfe dazu beizutragen, daß Heranwachsende einen solchen risikoarmen Umgang entwickeln können. PädagogInnen müssen durch Supervision und Fortbildung befähigt werden, dies zu tun.
  3. Die Risiken des Drogenkonsums wachsen, wenn mehrere ungünstige Faktoren zusammentreffen. Einer der Risikofaktoren ist die Kriminalisierung drogenkonsumierender junger Menschen durch das BtMG. Dieses Gesetz ist in der aktuellen Fassung pädagogisch kontraproduktiv. Die Kriminalisierung muß daher ein Ende finden! Pädagogische Fachkräfte brauchen rechtlich abgesicherte Handlungsspielräume für die Arbeit mit drogenkonsumierenden jungen Menschen.
  4. Das KJHG begründet einen Anspruch junger Menschen auf verschiedene Hilfen durch die Jugendhilfe. Dabei muß es Jugendhilfe grundsätzlich darum gehen, junge Menschen in lebenswerte soziale Zusammenhänge zu integrieren und ihre soziale Ausgrenzung zu verhindern. Jugendliche können daher nicht aufgrund spezifischer Verhaltensweisen von Angeboten der Jugendhilfe ausgegrenzt werden. Dies gilt natürlich auch für drogenkonsumierende junge Menschen.
  5. Die Träger der Jugendhilfe sind aufgefordert, geeignete Angebote für junge Menschen mit problematischen Drogenkonsum bereitzustellen. Zwangsmaßnahmen wie Zwangsentzug, Zwangstherapie oder geschlossene Unterbringung sind keine solchen geeigneten Angebote.
  6. Die Träger der Jugendhilfe sind aufgefordert, zum Drogenkonsum junger Menschen und zur Arbeit mit jungen Menschen, die Drogenprobleme haben, Kooperation zu Drogenhilfe, Schule und Jugendpsychiatrien auf- und auszubauen.

 

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