Unterschätzter Raum? Politische Bildung in den Hilfen zur Erziehung

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Cover ForE 3-2021

Als Drucksache 19/24200 wurde am 11.11.2020 der „Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe – 16. Kinder- und Jugendbericht –Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter“ dem Deutschen Bundestag vorgelegt. Mit 669 Seiten ein voluminöses Werk. In diesem Heft versuchen wir das Konzept dieses Berichts vorzustellen, seinen Blick auf die Hilfen zur Erziehung (HzE) zu erläutern und aus verschiedenen Perspektiven Anforderungen für die Praxis der Hilfen zur Erziehung zu diskutieren.

„Kein Mensch wird als politisches Lebewesen geboren, deshalb ist politische Bildung eine Existenzvoraussetzung jeder friedensfähigen Gesellschaft“, sagt Oskar Negt[1] und bringt damit auf den Punkt, warum das Thema politische Bildung ein Thema ist, das durchaus in den Fokus der Kinder- und Jugendhilfe gehört.

Christian Lüders, für die Geschäftsführung der Kinder- und Jugendberichte bis Ende 2020 zuständiger Abteilungsleiter beim Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI), erläutert das Konzept und die Intentionen des 16. Kinder- und Jugendberichts. Er erklärt die leitenden Begriffe des Berichts und das Konzept: die Fragen der politischen Bildung in sozialen Räumen und in raumübergreifenden Perspektiven.

Sabrina Hoops und Liane Pluto haben als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des DJI an der Erstellung des 16. Kinder- und Jugendberichts mitgearbeitet und dabei u.a. eine Feldrecherche zur Heimerziehung durchgeführt. Ihr Beitrag greift Fragen auf wie: Wieso werden HzE – im Gegensatz zu anderen Räumen – als unterschätzte Räume thematisiert? Wer oder was wird hier unterschätzt? Verbirgt sich darin die Kritik, dass das Potenzial für politische Bildung in den HzE nicht ausreichend gesehen und genutzt wird? Oder wird hier eine unangemessene Zuschreibung vorgenommen?

Sarah Sobeczko aus der Fachgruppe Mädchen und Frauen der IGfH greift in ihrem Beitrag die Thematisierung von Geschlecht als Thema politischer Bildung in den HzE auf. Angesichts der unverändert strukturellen Gewalt gegen Mädchen* und Frauen* sowie der Verzahnung frauen*feindlicher und rechtspopulistischer Ideologie und des gegenwärtig konstatierten antifeministischen Backlashes scheint es ihr irritierend, dass die Benachteiligung von Frauen* und Mädchen* bzw. Geschlecht als Politikum im 16. Kinder- und Jugendbericht nur unwesentlich thematisiert wird. Ihre Überlegungen zu einer radikal reflexiven Haltung von Fachkräften lassen sich als fruchtbare Grundlage für Momente politischer Bildung denken, die das stete Hinterfragen von Anrufungen und Praktiken von „Geschlecht“ als Differenzkategorie im pädagogischen Alltag ganz konkret sicht- und damit thematisierbar machen.

Ina Bielenberg ist die Geschäftsführerin des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V. und war Mitglied der Kommission für den 16. Kinder- und Jugendbericht. Sie erläutert die Aussagen des Berichts im Hinblick auf die politische und praktische Beschäftigung mit dem Thema Rassismus. Sie betont, dass politische Bildung die Befähigung zum Erhalt und zur Weiterentwicklung demokratischer Verhältnisse, auch im Alltag der Jugendlichen, zum Inhalt haben muss und arbeitet Menschenrechte und Demokratie als deren normativen Kern heraus.

Petra Hiller, Vorständin in der Evangelischen Stiftung Overdyck, Bochum, und Anna Maria Krämer, Referentin für politische Bildung in der Bildungsstätte Alte Schule Anspach von basa e.V., tauschen sich über die Herausforderungen und Gelingensbedingungen für eine verbesserte Zusammenarbeit in den Bereichen politische Bildung und stationäre Angebote in den HzE aus. Sie thematisieren dabei die Herausforderungen und Ansatzpunkte auf einer einerseits praxisgesättigten und andererseits methodisch anregenden Ebene.

Christian Lüders, Norbert Struck

 

[1] Oskar Negt; „Humanität setzt Bindungen voraus, die der Kapitalismus zerstört“ – ein Gespräch. Frankfurter Rundschau 01.08.2019; https://www.fr.de/kultur/oskar-negt-humanitaet-setzt-bindungen-voraus-kapitalismus-zerstoert-12875293.html

 

Aus dem Inhalt

Christian Lüders: Der 16. Kinder- und Jugendbericht: Förderung demokratischer Bildung im Kinder- und Jugendalter – Konzept und Folgerungen

Sabrina Hoops, Liane Pluto: Hilfen zur Erziehung als Thema des 16. Kinder- und Jugendberichts

Sarah Sobeczko: Annäherungen an „Geschlecht“ als Thema politischer Bildung in den HzE

Petra Hiller und Anna Maria Krämer im Gespräch: Ewiger „Shut Down“ der politischen Bildung in den Hilfen zur Erziehung!?

Ina Bielenberg: Rassismus als Thema politischer Bildung

Friedhelm Peters: Neuausrichtung der FICE -International

Matthias Stein, Jack Weber: Diskussion Hilfen zur Erziehung unter den Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie Teilergebnisse einer qualitativen Studie zu Hilfen zur Erziehung in Hamburg 

Sarah Preusker: Wie geht es Careleaver*innen mit dem aktuellen Corona-Lockdown?

Hannelore Häbel: Rechtsfragen „Quasi-Adoption“ von Pflegekindern? Zum Beschluss des OLG Düsseldorf vom 29.10.2019 (Az.: 6 UF 144/19)

Schlagwörter
Seiten
64
Erscheinungsjahr
2020
Ausgabe
3
Sammelband
Nein
Ausgabe Jahr
2021